Zurück
Sprache

Kollege Roboter,
mach Du das lieber!

Roboter und Menschen arbeiten bisher nur selten Seite an Seite. Herkömmliche Roboter sind meist sture Befehlsempfänger, die einprogrammierte Bewegungen blind ausführen und dabei selten auf unvorhergesehene Änderungen in ihrer Umgebung reagieren können. Die Fertigung von Produkten in geringeren Stückzahlen und sich schnell verändernde Marktanforderungen erfordern jedoch flexible und intelligente Robotersysteme, die sich selbstständig an die aktuellen Anforderungen und die Umgebung anpassen können sowie gleichzeitig intuitiv und sicher mit den Menschen interagieren können. Neuartige Hardware- und Steuerkonzepte sowie Methoden der künstlichen Intelligenz werden dies in Zukunft ermöglichen. Am DLR wird hierzu eine Vielzahl von neuen Technologien und Methoden entwickelt, um eine flexible und anpassungsfähige Produktion in der Zukunft zu realisieren.

Wie gelingt die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK)? Wie können mobile Roboter selbstständig „handwerkliche“ Aufgaben übernehmen, Produkte montieren oder mit 3D-Druckern zusammenarbeiten? Und kann der reale Einsatz von Robotern mittels Simulationen perfekt vorgeplant und danach digital gesteuert werden? Im Projekt „Factory of the Future“ arbeiten zehn Institute des DLR gemeinsam an diesen Themen, um richtungsweisende Technologien zu entwickeln.

© DLR

Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Leichtbaurobotertechnologie des DLR ein. Diese hat eine der größten Revolutionen der jüngeren Industrie­geschichte begründet. Cobots, also neue feinfühlige Leichtbauroboter wie der LBR iiwa der KUKA AG, beherrschen komplexe Handgriffe und nehmen dabei Rücksicht auf menschliche Kolleginnen und Kollegen – dank Sensoren in den Gelenken, mit denen Berührungen erkannt werden. Bei einer Kollision mit einem Menschen stoppt der Roboter oder weicht zurück, und Sensoren in den „Fingern“ ermöglichen ein Ertasten sowie sanftes Greifen von Werkzeugen, Werkstücken und sogar von Obst und Gemüse, das anfällig für Druckstellen ist.

© KUKA Roboter GmbH

Der Nutzen: Ein Roboter wie der LBR iiwa kann als Handlanger unergo­nomische Tätigkeiten übernehmen, zum Beispiel beim Arbeiten über Kopf oder beim Anreichen von Teilen. Bei Mercedes-Benz war eine Vorversion bereits seit 2009 im weltweit ersten Serieneinsatz. Die Technik, die ursprünglich aus der Raumfahrt kommt, wurde seit 2004 vom DLR für den Einsatz in der Industrie weiterentwickelt. Die Forschenden des DLR arbeiteten dabei eng mit Kolleginnen und Kollegen von KUKA und Daimler zusammen. Heute setzen neben Daimler auch viele weitere Automobilhersteller wie Volkswagen, BMW und Ford diese Technologie ein, um die Menschen bei ihrer täglichen Arbeit zu entlasten.

Der Leichtbauroboter bei Mercedes-Benz fädelt 5–15 Kilogramm schwere Tellerräder und Lagerschalen in Getriebegehäuse ein.
© KUKA Roboter GmbH

Der Leichtbauroboter LBR iiwa bei der kollaborativen Montage eines Vorderachsgetriebes im BMW-Werk in Dingolfing. Durch die Assistenz des Roboterarms kann die Ergonomie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark verbessert werden, indem schwere Bauteile vom Roboter millimetergenau positioniert werden.

© KUKA

Die neueste Generation von Leichtbaurobotern ist der Roboterarm SARA („Safe Autonomous Robotic Assistant“), entwickelt am DLR-Institut für Robotik und Mechatronik. Der Clou: SARA kann dank innovativer Elektronik, Sensorik und Mechanik von Hand geführt für unterschiedlichste Tätigkeiten angelernt werden, indem neben der Position auch die wirkenden Kräfte am Roboterarm aufgezeichnet werden. Die Bedienerin oder der Bediener vermittelt dem Roboter also nicht nur, was er tun soll, sondern auch, wie er eine Aufgabe lösen kann. Im Video wird demonstriert, wie SARA die komplizierte Montage eines Flugzeugfensters gezeigt bekommt und das Gelernte autonom umsetzt.

© DLR

Während immer mehr neue Robotertypen für die „Mensch-Roboter-Kollaboration“ (MRK) zur Verfügung stehen, stellen scharfkantige Roboterwerkzeuge und Werkstücke weiterhin ein großes Problem dar. Für dessen Lösung hat das DLR einen Airbag entwickelt, welcher die MRK ohne Schutzzaun für eine breite Palette an Roboterwerkzeugen und Werkstücken ermöglicht, ohne die Funktion des Roboter-Gesamtsystems einzuschränken. Dazu umschließt der Airbag vor Verfahren des Roboters das Werkzeug und Werkstück und gibt beide anschließend wieder frei. Dadurch können Taktzeiten in der Produktion reduziert werden und die Produktivität erhöht sich wesentlich.

© DLR

Sogar die Idee des Hallenkrans wird mit neuen Robotern revolutioniert: Im Konzept SwarmRail des DLR rollen Roboter auf eigenen Schienen unterhalb der Hallendecke. Statt auf dem Boden zu stehen oder zu fahren, werden sie zu platzsparenden „Überfliegern,“ die mit ihren Roboterarmen von oben vielfältige Transport- oder Montagetätigkeiten ausüben. So wird der Platz in der Halle optimal genutzt und die Produktionsprozesse werden beschleunigt.

© DLR

Der feinfühlige Ernte- und Lagerhelfer: Die DLR-Hand CLASH (Compliant Low-cost Antagonistic Servo Hand) von 2018 kann Früchte und Gemüse greifen. Und das ganz sanft, damit beispielsweise eine Mango keine Druckstellen bekommt. Besonders interessant ist, dass die Hand vergleichsweise kostengünstig ist.

© DLR

Eine interessante Idee der Schweizer Rinspeed AG: Im Konzeptfahrzeug Budii ersetzt der Roboterarm die Lenksäule. Das Lenkrad kann so von der fahrenden Person zum Beifahrer beziehungsweise zur Beifahrerin bewegt werden oder sich klein machen, wenn das Auto im Stau selbstständig fährt.

© Rinspeed

Roboterarme und -hände sind allerdings nicht nur für die Industrie interessant. Sie können auch Unheilbares „heilen“ – oder einfach nur Spaß machen.


Die DLR-HIT-Hand II hat fünf Finger und ist annährend so groß wie eine Menschenhand. Damit kann ein Roboter, hier Justin vom DLR, Menschenwerkzeug benutzen – wie diesen Akkuschrauber. Diese weltweit am weitesten entwickelte Roboterhand wird von der DLR-Ausgründung Wessling Robotics GmbH vermarktet.

© DLR

Trotz Querschnittslähmung selbstbestimmt Kaffee trinken? Diese 58-jährige Frau ist aufgrund eines Gehirnschlags vor 15 Jahren vollständig vom Hals an abwärts gelähmt. Im Rahmen eines Versuchs mit einem neuronal gesteuerten Roboterarm konnte sie nach nur etwa einer Viertelstunde „Training“ dank dieses Hilfmittels eine Flasche mit Kaffee „ergreifen“, zu ihrem Mund „führen“ und mit einem Strohhalm daraus trinken. Zur Steuerung wurde die Neuroprothese BrainGate2 in den Motorkortex des Hirns implantiert. Eine kabellose Verbindung ist noch nicht möglich – aber die Forschenden arbeiten daran.

© NATUREvideo

Die wiederbefähigende Robotik bietet pflegebedürftigen Personen und Menschen mit Behinderungen eine effektive Unterstützung im Alltag. Der mobile Roboter EDAN des DLR ist eine Kombination aus elektrischem Rollstuhl und Roboterarm. Dieser wird mit Muskelsignalen gesteuert. Gelähmte Menschen erhalten durch Robotik Autonomie und Lebensqualität zurück, vom Öffnen von Türen bis zum Trinken aus einem Glas. Der Roboterarm ist zudem kein reiner Befehlsempfänger, sondern hat Intelligenz eingebaut. Er kann Intentionen erkennen und weiß dann, was er zu tun hat.

© DLR

Ursprünglich für die Verwendung durch Astronautinnen und Astronauten im Weltall entwickelt und verifiziert, kommt Robotertechnik dank der Forschenden im DLR ebenso in der Medizintechnik zum Einsatz. Chirurgen und Chirurginnen leisten Großartiges, aber im ganz Kleinen wird es häufig doch sehr knifflig. Der DLR-MIRO ist ein Roboterarm, der dem Chirurgen oder der Chirurgin direkt am OP-Tisch assistieren kann. Dadurch lässt sich eine größere Zahl komplizierter Eingriffe minimalinvasiv, also durch kleine Schnitte in der Körperhülle, durchführen. Der MIRO ist in der Lage, mit speziellen Instrumenten auch feinfühlig Gewebe zu ertasten und es per Wasserstrahl so zu schneiden, dass Blutgefäße und Nerven erhalten bleiben. Zugleich führt er eine Kamera, sodass der Chirurg oder die Chirurgin immer alles im Blick behält. Die Lizenz für MIRO wurde an das amerikanische Unternehmen Medtronic verkauft. Das weltweit größte Medizintechnik-Unternehmen entwickelte die Technologien des DLR-Systems für einen Medizinroboter weiter, sodass dieser im OP genutzt werden kann.
Zudem wird durch das europaweite Netzwerk Digital Innovation Hub Healthcare Robotics (DIH-HERO) der weitere Technologietransfer in die Praxis gefördert.

© DLR, Institut für Robotik und Mechatronik

Der Serviceroboter Justin ist durch seine menschenähnliche Form gut geeignet, im direkten Umfeld von Menschen zu agieren. Derzeit wird er sowohl für den zukünftigen Einsatz als Haushaltshilfe im Alltag als auch als Assistent von Astronautinnen und Astronauten im Weltraum vorbereitet. Er kann bereits verschiedene Aufgaben ohne menschliche Unterstützung ausführen oder ferngesteuert als Avatar benutzt werden.
2019 unterstützte Justin den ESA-Astronauten Alexander Gerst bei der Inspektion und Wartung einer zukünftigen Solaranlage. Das Besondere dabei: Gerst kommandierte Justin von Bord der Internationalen Raumstation aus. Durch das Experiment konnten Gerst und Justin zeigen, dass die Zusammenarbeit von Astronautinnen und Astronauten im Orbit mit intelligenten Robotern auf der Planetenoberfläche auch für zukünftige Mond- und Marsexpeditionen sehr gut geeignet ist.

© DLR, Institut für Robotik und Mechatronik

Der humanoide Roboter TORO hat zusätzlich Beine und schlaue Fähigkeiten. Damit kann er Jobs übernehmen, die ursprünglich für Zweibeiner und Zweihänder gedacht sind – wie hier in der Flugzeugmontage.

© DLR

Roboter „sehen“ heute oft mit den Händen, also per Tastsinn. Und was ist mit Augen? Der weltweit erste Sensor, der dem Roboter sowohl die 3D-Sicht als auch die Orientierung im Raum ermöglicht, kommt aus Deutschland – von der DLR-Ausgründung Roboception GmbH: rc_visard befähigt Roboter, sich im Raum zu bewegen, Gegenstände zu erkennen und zu sehen, ob ein Auftrag erfolgreich war – wie das Beladen einer Palette, das Zählen von Gegenständen, und zu allem, wofür auch wir Menschen unsere Augen benutzen.

© Roboception GmbH

Leichtbauroboter (LBR) – wie alles begann

© DLR

© DLR

Der Durchbruch für die Nutzung auf der Erde war schließlich der LBR III mit 14 Kilogramm Nutzlast bei 14 Kilogramm Gewicht. Das bedeutete: stärkere Motoren, noch bessere Sensoren und kräftigere Gelenke. Das alles ohne Gewichtszunahme. Das i-Tüpfelchen: ein schönes, organisches Design, das zugleich sehr funktional ist: keine Ecken, keine Kanten, keine Zwischenräume – und somit keine Gefahr für „Kollege Mensch“, sich die Finger einzuklemmen.

© DLR

© DLR

© DLR

Kein Arm ohne Hand: die DLR-Hand

Wozu nützt ein Arm, wenn an seinem Ende keine Hand sitzt? Das gilt auch für Roboter. Roboter-Hände im Industrieeinsatz sind bis heute eher Greifer, Spezialanfertigungen, optimiert für eine einzige, ganz spezielle Aufgabe. Da ist eine menschliche Hand schon deutlich vielseitiger. Sie nachzubauen, ist zwar extrem schwer, gelingt aber immer besser. Die Forschenden des DLR sind bei künstlichen Händen führend.

© DLR

1998 wurde die DLR-Hand I vorgestellt, eine 4-Finger-Hand mit 12 beziehungsweise 13 Bewegungsfreiheitsgraden (gegenüber 22 Graden und einem Finger mehr an der menschlichen Hand).

Die DLR-Hand I galt mit circa 1.000 mechanischen und 1.500 elektrischen Komponenten als die weltweit komplexeste aller bisher gebauten Roboter-Hände. Jeder Freiheitsgrad ist sozusagen ein Gelenk. Das bedeutete: 12 Antriebe waren nötig. Dennoch: Zum ersten Mal war es gelungen, alle 12 Antriebe in die Hand zu integrieren.

Die DLR-Hand II, Ende 2000 erstmals vorgestellt, war eine Weiterentwicklung mit besserer Elektronik: Statt 400 Kabeln zur „Außenwelt“ verließen die Hand nun nur noch 12.

Die DLR-HIT-Hand II von 2007 ist noch leichter, obwohl sie nun 5 statt 4 Finger hat. Mit 15 Bewegungsgraden ist sie sehr flexibel. Sie diente als Hand des Space Justin.

Die DLR-Spacehand (2020) ist außerirdisch gut: Sie ist so robust, dass sie im Weltraum im Dauereinsatz arbeiten kann. Vielleicht werden damit einmal Maurerroboter für den Hausbau auf dem Mond gebaut? Oder Serviceroboter für Raumschiffe?

© DLR

© DLR

© DLR

© DLR





INNOspace Startseite | Impressum | Datenschutz