Landwirtschaft mit Über-Blick
Wie Satellitendaten für bessere Ernten sorgen
Die Erde soll immer mehr Menschen ernähren. Gleichzeitig wächst das Bewusstsein für den Verzehr von und der Wunsch nach „gesunden“ Lebensmitteln, nachhaltig und umweltverträglich angebaut und geerntet. Dünger und Schädlingsbekämpfung sollen möglichst sparsam oder besser noch überhaupt nicht eingesetzt werden – doch das schmälert wiederum die Erträge. Ein Dilemma?
Nein, denn es gibt noch einige andere Einfluss-Möglichkeiten, die helfen, Ernteerträge zu verbessern, ohne die Böden über die Maßen zu beanspruchen: die Steuerung von Be- oder Entwässerung, Wachstumsbeobachtung und der immer sparsamere weil präzisere Einsatz von Düngern zum Beispiel. Oder das Einfahren der Ernte teils auf den Meter genau.
Die Erdbeobachtung von Satelliten macht das möglich und liefert Landwirtinnen und Landwirten die Daten, Bilder und Informationen, die ihnen helfen, ihr Land wirtschaftlicher zu nutzen. Zusätzlich wird erforscht, wie Landwirtschaft überall funktionieren kann – sogar im Weltall. Dadurch wird Landwirtschaft an neuen Orten möglich. Ohne zusätzlichen Flächenverbrauch.

Aus Landwirtschaft wird Allwirtschaft
Wie viel Nahrung kann man auf 12,5 Quadratmetern in neuneinhalb Monaten ernten? Im normalen Gewächshaus: 400 Kilogramm Tomaten. Und in der Antarktis, im dunklen Winter? Ohne Sonnenlicht? Nur mit künstlichem Licht und mit möglichst geringem Energieverbrauch? Sogar dort sind erstaunliche 268 Kilogramm Gurken, Salat und Tomaten machbar. Das beweist das DLR-Projekt EDEN-ISS auf der Antarktisstation Neumayer III des Alfred-Wegener-Instituts. Die Pflanzen wachsen dort in einer Nährlösung ohne Erde.

© Alfred-Wegener-Institut/Esther Horvath
Für das Überwinterungs-Team auf der Station war frisches Gemüse ein Stimmungsaufheller – denn Frisches kommt dort normalerweise nicht auf den Tisch. Ähnliches wird einmal für Mond-Bewohnerinnen und -Bewohner gelten. Diese werden Lebensmittel vor Ort selbst anbauen müssen, um nicht von Lieferungen von der Erde abhängig zu sein. Für sie wurde vom DLR eine faltbare 30-Quadratmeter-Version dieses Gewächshauses entwickelt. Sie ist klein genug, um als Nutzlast auf einer Rakete mitzufliegen. Diese neuartige Form von Lebensmittelanbau in autarken Containern ist auch für andere kalte Regionen sowie für Wüsten und Städte sehr interessant.

© Hanno Müller
Methan: äußerst schädlich, wenig erforscht
Methan ist 25-mal so schädlich für das Klima wie CO2 – und sein Gehalt in der Atmosphäre steigt besonders stark, weil der Mensch direkt oder indirekt dafür verantwortlich ist: Reisfelder, Viehwirtschaft, Bergbau, Mülldeponien, Energieerzeugung oder auftauende Permafrostgebiete. Sie alle sind Methanquellen. Dazu kommen noch natürliche Quellen wie Sümpfe, Moore, Termiten, Wälder und die Meere. Das Wissen über das ganze Ausmaß des Problems ist heute noch sehr lückenhaft – aber dank Satellitenbeobachtung lernen wir schnell dazu.
Hier werden Satelliten Methan aufspüren

LIDAR: Technologie aus der Raumfahrt
Mit Hilfe der LIDAR-Technik (LIDAR = Light Detecting and Ranging) wird der Satellit MERLIN Methan aufspüren. Laserlicht wird ausgestrahlt, von einem Objekt (Gaswolke, Erdboden etc.) reflektiert oder gestreut und das zum LIDAR-Instrument zurückkehrende Licht wird registriert. Durch die Messung der Zeit, die zwischen Aussenden und Empfang des Laserpulses vergangen ist, kann die Entfernung zwischen LIDAR-Instrument und dem reflektierenden Objekt bestimmt werden.
Dabei verrät die Wellenlänge des ausgesandten und zurückkehrenden Lichts die Zusammensetzung und somit die Art des reflektierenden Objekts – also beispielsweise Methan.
In der Raumfahrt war LIDAR erstmals 1971 bei der Mondlandemission Apollo 15 (die Erste mit Mondauto) an Bord. Mit seiner Hilfe wurde eine Reliefkarte der Mondoberfläche erstellt.
LIDAR im Alltag

CO2 und CH4: die Hauptverantwortlichen des Klimawandels
Die globale Erwärmung beschleunigt wie nie zuvor in der Erdgeschichte. Erstmals ist der Mensch der Hauptverursacher: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts steigen immer mehr – vom Menschen verursachte – Treibhausgase in die Atmosphäre auf. Dadurch kann weniger Wärme von der Erde ins Weltall entweichen. Die beiden bedeutendsten Treibhausgase sind mit 72 Prozent CO2 (Kohlendioxid, vor allem aus Kohlekraftwerken, Industrie und Straßenverkehr) und zu 18 Prozent CH4 (Methan). Allerdings ist Methan 25-mal so klimaschädlich wie CO2.

MERLIN: ein deutsch-französischer Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels
Die Mission MERLIN ist das erste gemeinsame Projekt von Deutschland und Frankreich im Bereich Erdbeobachtung seit dem Jahr 1994. Sie wurde von beiden Nationen im Rahmen der deutsch-französischen Ministerratskonferenz im Februar 2010 beschlossen. Mit diesem Schritt haben sich die beiden größten Raumfahrtnationen Europas entschieden, durch ihre Raumfahrtagenturen CNES und DLR einen sichtbaren Beitrag zur Erforschung der Ursachen des Klimawandels zu leisten.
Permafrostböden tauen auf, Moore gasen – und MERLIN sieht das. Der deutsch-französische Kleinsatellit MERLIN (Methane Remote Sensing LIDAR Mission) soll ab 2024 drei Jahre lang Methan in der Erdatmosphäre beobachten. Mit Hilfe eines LIDAR-Instruments (Light Detecting and Ranging) wird er aus einer Höhe von rund 500 Kilometern das Treibhausgas in der Erdatmosphäre aufspüren und beobachten. Das Ziel ist, eine Weltkarte der Methankonzentrationen zu erstellen – um sowohl die Quellen als auch die Stellen, an denen der Atmosphäre Methan entzogen wird, präzise zu identifizieren. Erste Methan-Daten aus der Troposphäre liefert bereits der Copernicus-Satellit Sentinel-5P, allerdings nicht mit aktiver LIDAR-Technik, sondern mit passiven Sensoren.

© CNES/Illustration David DUCROS, 2016
LIDAR an Bord
MERLIN wird über ein weiterentwickeltes LIDAR-System verfügen. Es vermag Menge und Verbreitung von Methan in der Erdatmosphäre zu messen, und zwar bei Tag, bei Nacht oder durch dünne Zirruswolken hindurch. Zur Messung der Konzentration von Gasen werden Lichtpulse auf zwei nah beieinander liegenden Wellenlängen („Farben“) ausgesandt. Die eine Wellenlänge wird von dem gesuchten Spurengas absorbiert, die andere nicht. Aus der Differenz der beiden vom Erdboden zum Satelliten zurückgestreuten Signale kann die Methankonzentration sehr genau bestimmt werden.
Der Satellit wird innerhalb eines Monats die gesamte Erde einmal komplett nach natürlichen und vom Menschen verursachten Methanquellen absuchen. 20-mal pro Sekunde wird der Laserstrahl zur Erde gesendet und empfangen. Die Messwerte, die MERLIN aufzeichnet, können von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Zuhilfenahme von Daten über Windgeschwindigkeiten und -richtungen in globale Methan-„Bewegungskarten“ umgerechnet werden.
Technologie-Entwicklung aus Deutschland
Die Technologien für das LIDAR-Instrument, das auf MERLIN installiert wird, stammen von deutschen Industrieunternehmen und Forschungsinstituten. In verschiedenen von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR und der ESA geförderten Projekten wurden unter anderem von den Firmen Airbus Defence and Space (Ottobrunn), SpaceTec GmbH (Immenstaad) und von Hoerner & Sulger (Schwetzingen) sowie vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (Aachen) und vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre (Oberpfaffenhofen) Technologien für zukünftige LIDAR-Instrumente entwickelt und getestet.
Die Programme zur Verarbeitung der MERLIN-Daten sowie die Steuerung des MERLIN-Instruments werden vom DLR-Institut für Methodik der Fernerkundung (Oberpfaffenhofen) und von der Firma SciSYS GmbH (Bochum) entwickelt.
Auf deutscher Seite liegt die wissenschaftliche Verantwortung für das Instrument bei der LIDAR-Abteilung des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre (IPA) in Oberpfaffenhofen. Sie entwickelt und betreibt bereits flugzeuggestützte LIDAR-Systeme, mit denen beispielsweise Windstärke, Wasserdampf-, Methan- oder Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre gemessen werden. Das vom IPA entwickelte Methan- und Kohlendioxid-LIDAR CHARM-F basiert auf dem gleichen Messprinzip wie MERLIN. Es wird auf dem DLR-Forschungsflugzeug HALO eingesetzt, sodass diese Messmethode für die MERLIN-Mission vorab erprobt werden kann.
Starke Zusammenarbeit mit Frankreich
Die französische Raumfahrtagentur CNES wird mit dem Gesamtsystem und dem Satellitenbus sowie dem Betrieb des Satelliten und mit der Startrakete betraut. Als Plattform entwickelt CNES die sogenannte MYRIADE Evolution-Plattform. Die MERLIN-Plattform wird also der Prototyp für eine neue Serie künftiger leistungsfähiger Kleinsatelliten. Eine wissenschaftliche Konzept- sowie eine technische Machbarkeitsstudie wurden gemeinsam von CNES und der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in den Jahren 2010 bis 2012 erfolgreich durchgeführt. Im nächsten Schritt wird nun ein technisches Design für das Satellitensystem entworfen. 2024 soll MERLIN schließlich starten. Beide Nationen kümmern sich gemeinsam um das Nutzlastbodensegment und die wissenschaftliche Auswertung der Methandaten.
Start | 2024 |
Orbithöhe | ca. 500 km |
Orbittyp | niedriger polarer sonnensynchroner Orbit |
Satellitenmasse | 430 kg |
Satellitengröße | ca. 1,60 x 4,50 x 1,60 m mit ausgefahrenen Solarpanels |
Satellitenbus | MYRIADE Evolution (aus Frankreich) |
Instrument | Methan LIDAR (aus Deutschland) |
Messprinzip | Integrated Path Differential Absorption (IPDA) |
Instrumentenmasse | ca. 150 kg |
Energieverbrauch LIDAR | ca. 150 W |
Laserwellenlängen | 1645.552 nm (on)/1645.846 nm (off) |
Pulsenergie Laser | 9 mJ |
Pulsrate Laser | ca. 20 Hz (Doppelpuls) |
Datenrate | ca. 300 kbps |
Datenmenge pro Orbit | ca. 1,6 Gbit |
Missionsdauer | 3 Jahre |
Die CO2M-Satelliten: Mensch oder Natur –
wer verursacht wo Kohlendioxid und Methan?

© Airbus DS GmbH 2015
Wie sind Kohlendioxid und Methan weltweit verteilt? Wo wird es wie stark emittiert? Wo gibt es „Hot Spots“? Wo wirken Pflanzen durch Photosynthese besonders stark als „Senken“? Die ESA-Satelliten der Mission CO2M sollen es ab 2025 erforschen. Die Auflösung der Satellitenbilder wird so hoch sein, dass sogar Abgasfahnen einzelner Kraftwerke oder Industrieanlagen analysierbar werden. So soll erstmals ein klares Bild darüber entstehen, welche Treibhausgase in welchem Umfang menschengemacht sind – das sind weltweit einzigartige Daten, die es in dieser Form noch nie zuvor gab.
Entscheidende Vorarbeiten zu dieser Mission stammen aus Forschungen der Universität Bremen. Die neuen Satelliten werden auf dem CarbonSat-Konzept des Instituts für Umweltphysik (IUP) basieren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden sich beim Aufbau des CO2M-Systems weiterhin engagieren. Das CarbonSat-Konzept wurde auch vom DLR gefördert.
Die Mittel für den Bau der CO2M-Satelliten stammen aus dem Copernicus-Programm.
© Airbus DS GmbH 2015