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„Ich hab Rücken”

Die Rückenschmerzen von Astronautinnen und Astronauten:
gut für uns Erdlinge

4 von 5 Menschen leiden unter Rücken­schmerzen. Auch Astronautinnen und Astronauten trifft es mit hoher Wahrscheinlichkeit und manchmal sehr schmerzhaft, obwohl ihre Muskeln, Sehnen und Knochen wegen der Schwerelosigkeit doch eigentlich entlastet sind. Paradox?

Forschende wollten wissen: Woher kommen die Rücken­schmerzen? Liegt es an der Schwere­losigkeit? Oder liegt es indirekt an der Veränderung von Bewegungs­mustern?

Für die deutsch-russische Mission MIR ‘97 wurde ein System mit Ultraschall-Elektroden zum Aufkleben auf den Rücken entwickelt: sonoSens. Heute hilft das System dabei, auf der Erde die Ursachen für Rückenschmerzen zu diagnostizieren beziehungsweise ihnen vorzubeugen.

sonoSens in der Anwendung.

RECARO setzt sonoSens ein, um beim Probe­sitzen von Testpersonen herauszufinden, welche Formen bei Autositzen am rücken­freundlichsten sind.

© RECARO Automotive Seating

Musikerinnen und Musiker sind eine Risikogruppe für Rückenschmerzen. Sie spielen täglich mehrere Stunden und nehmen dabei oft unvorteilhafte Körperhaltungen ein. Dabei kann sich mit der Zeit die Geometrie der Wirbelsäule verändern. Dank sonoSens kann die Wirbelsäule aber über einen längeren Zeitraum und zugleich ganz unkompliziert beobachtet werden. So werden Fehlhaltungen offenbar, die dann gezielt therapiert werden können.

© julenochek/fotolia.com

In körperlich anstrengenden Berufen sind Rückenschmerzen für viele Fehlzeiten verantwortlich. Zugleich müssen viele Menschen immer länger arbeiten. Gesundes Personal ist im Interesse der Unternehmen – durch die Messung der Wirbelsäulen­bewegungen können Arbeitsprozesse ergonomischer gestaltet werden, damit Rückenschmerzen gar nicht erst entstehen.

© Anastasiia Usoltceva/fotolia.com

Warum sonoSens für die Raumfahrt entwickelt wurde. Und wie es funktioniert.

Rückenschmerzen bei Raumfahrenden waren lange bekannt. Der Verdacht: Weil sich in der Schwerelosigkeit die Bandscheiben ausdehnen (Astronautinnen und Astronauten „wachsen“ an Bord einer Raumstation um einige Zentimeter), werden die Wirbel auseinander­geschoben, die drücken wiederum auf die Nerven – und schon tut es weh. Aber stimmt das auch? Forschende der Deutschen Sporthochschule Köln und der Universität Jena wollten es genau wissen, denn Probleme mit plötzlichen Rücken­schmerzen haben nicht nur Astronautinnen und Astronauten, sondern auch Bettlägerige. Und nur wenn man die Ursachen kennt, kann man die Schmerzen erfolgreich behandeln.

Die klassischen Analysemethoden: Anamnese durch einen Arzt oder eine Ärztin, Röntgen, Computertomografie oder Videoanalyse. All das geht im All nicht. Daraufhin wurde ein Gerät entwickelt, das so leicht ist, dass man es ins All mitnehmen kann (170 Gramm), und das den Körper nicht durch Strahlung oder Ähnliches belastet: der „Movement Monitor sonoSens“.

sonoSens arbeitet nach
dem Verfahren der Sonometrie:

  • Kleine Ultraschallsensoren werden paarweise auf der Haut entlang der Wirbelsäule aufgeklebt.
  • Die Sensoren vermessen ihre Position zueinander ständig über Ultraschall, in allen drei Dimensionen.
  • Bei Bewegung verändert sich der Abstand der Sensoren.
  • Daraus lassen sich die Position, die Bewegungen und die Bewegungsmuster der darunter liegenden Wirbelsäule exakt bestimmen.
  • Die Daten werden in einem kleinen Zusatzgerät gesammelt und dann zum PC übertragen – in diesem Fall zu den Ärztinnen und Ärzten auf der Erde.

© sonoSens

Durch diese Technik konnte eindeutig geklärt werden, dass hauptsächlich ein verändertes Bewegungsmuster die Rückenschmerzen hervorruft. Die Schwerelosigkeit ist also nur indirekt der Grund, und durch ein angepasstes Trainingsprogramm an Bord der Raumstation können Rückenschmerzen vermieden werden.

Fallbeispiel:
sonoSens in der Medizin

Rückenschmerzen können viele Ursachen haben. Zum Beispiel bei einem 50-jährigen Mann. Er joggt, spielt Tennis, macht Fitness und sitzt am Arbeitsplatz den ganzen Tag über vor dem Bildschirm. Er leidet unter tiefsitzenden Rückenschmerzen. Keine Therapie hat bisher angeschlagen.

© Teledesign

Sein Rücken wurde mit dem sonoSens-System dreidimensional vermessen: im Sitzen, Stehen und bei 20 Minuten zügigen Gehens. Das offenbarte Fehler in der Grundhaltung und bei den Bewegungen der Wirbelsäule. Das Ergebnis der Untersuchung: Der Patient hat eine Fehlhaltung im Ruhe­zustand (und bei der PC-Arbeit), die er eins zu eins beim Gehen und Joggen übernimmt. Der Sport, der eigentlich als Ausgleich gedacht war, verschlimmert also durch die Fehlbelastung die Schmerzen.

Durch die Daten von sonoSens konnten die Fehlstellungen gut erkannt werden. Die Lösungen für den Patienten: ergodynamisches Sitzen am Arbeitsplatz und Gangschule fürs Joggen, zusätzlich Kräftigung der Muskulatur an Hals, Nacken und Bauch.

Rückenschmerzen ade – dank Weltraumtechnik made in Germany.

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