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Katastrophenschutz
aus dem All

Geht ein Vulkan in die Luft, bleiben Flugzeuge am Boden. Wirbelstürme, Überschwemmungen und Erdbeben verwüsten riesige Landgebiete. Waldbrände und Erdrutsche zerstören Siedlungen. Naturkatastrophen lassen sich nicht verhindern, aber immer besser beobachten und teilweise auch vorhersagen – mit Hilfe von Satellitendaten.

Wettersatelliten wie die europäischen Meteosats, Radarsatelliten wie die deutschen TerraSAR-X und TanDEM-X oder der europäische Sentinel-1 und optische Satelliten wie Sentinel-2 scannen die Erde rund um die Uhr. Meteorologinnen und Meteorologen sowie Katastrophenschützerinnen und Katastrophenschützer werten die Daten aus. Veränderungen an der Erdoberfläche weisen unter Umständen auf bevorstehendes Unheil hin. Vorher-nachher-Vergleiche verdeutlichen sehr kurzfristig das Ausmaß von Zerstörungen. Das wiederum ist die Grundlage für möglichst effiziente Hilfe.

Lagekarten von Katastrophengebieten werden zum Beispiel vom DLR-Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation, vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) oder vom europäischen Copernicus Emergency Management Service erstellt. Genutzt werden sie in der ganzen Welt.

Vulkanasche-Vorhersage: Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull auf Island legte 2011 tagelang große Teile des Luftverkehrs über Europa lahm. Aschewolken sind eine Gefahr für die Flugzeug-Turbinen. Mit besseren Informationen können Luftraum-Sperrungen in Zukunft präziser erfolgen.

© Wikipedia/Cirimbillo

Vermessung von Vulkanen: Mit Radarsatelliten wie den deutschen „Zwillingen“ TerraSAR-X und TanDEM-X oder dem europäischen Sentinel-1 lassen sich Vulkane vermessen und deren Hebungen und Senkungen genau erfassen. Fachleute können aus diesen Daten darauf schließen, was sich im Untergrund abspielt und ob ein Vulkan auszubrechen droht. Behörden nutzen solche Erkenntnisse zum Beispiel, um „No-go-Areas“ für Touristinnen und Touristen auszuweisen und Vorbereitungen für eventuell nötige Evakuierungen zu treffen.

© ESA/DLR

Vorsicht Taifun! Der Super-Taifun Haiyan, einer der stärksten tropischen Wirbelstürme aller Zeiten, traf im November 2013 die Philippinen. Tausende Tote und mehr als elf Millionen Betroffene. Die Zahl der Toten war jedoch „relativ“ niedrig, denn die Frühwarnung hatte funktioniert.

© Wikipedia

Mit Wetter- und Infrarot-Satelliten können Meteorologinnen und Meteorologen die Intensität eines sich über dem Meer bildenden tropischen Wirbelsturms anhand der Oberflächentemperatur des Wassers vorhersagen. Wie schwer ein aktueller Taifun oder Hurrikan die Küste treffen wird, kann aus der Messung von Windgeschwindigkeiten und Wellenhöhen abgeleitet werden.

© Wikipedia

Die Hilfe danach: Hier eine Schadenskarte der Stadt Bogo nach dem Taifun Haiyan, erstellt vom Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) des DLR auf Basis von WorldView-1-Daten zur Unterstützung von Hilfskräften vor Ort. Sie sind auf solche Vorher-nachher-Karten angewiesen, um Hilfe besser koordinieren zu können. Das DLR lieferte diese Analyse im Rahmen einer Aktivierung der „International Charter Space and Major Disasters”. Dieser Verbund internationaler Raum­fahrt­agenturen organisiert die schnelle und bestmögliche Abdeckung von Katastrophengebieten mit Satellitendaten, um die Zivilschutzbehörden vor Ort oder auch UN-Hilfskräfte zu unterstützen. Dafür stellt das DLR auch regelmäßig Daten deutscher Satelliten zur Verfügung.

© DLR

Oft gehen tropische Wirbelstürme auch mit verheerenden Überschwemmungen einher. So standen Teile von Mosambik im März 2019 tagelang unter Wasser, rund 1,7 Millionen Menschen waren betroffen. Das DLR/ZKI erstellte eine Karte auf Basis von Daten der TerraSAR-X- und Sentinel-Satelliten, die in einer Farbskala von Grün nach Rot die Überschwemmungsdauer zwischen einem und neun Tagen angibt.

© DLR/ZKI

Wenn das Wasser steigt: Für Europa gibt es seit 2012 dank des European Flood Awareness System (EFAS) laufend aktualisierte Vorhersagen zu aktuellen Überflutungsgefahren. Historische und aktuelle Satellitendaten sowie die Werte von lokalen Mess-Stationen (zum Beispiel Regen, Wasserstände, Temperaturen) werden kombiniert und auf einer zentralen Plattform für Katastrophenschützerinnen und Katastrophenschützer zugänglich gemacht. Im Bild: Die Folgen eines Deichbruchs vom 18. Juni 2013, bei Fischbeck in Sachsen-Anhalt, 80 Prozent der Häuser sind beschädigt. Gerade bei Überflutungen spielen Satelliten wie TerraSAR-X oder Sentinel-1 noch eine besondere Stärke aus: Sie können im Gegensatz zu optischen Satelliten auch durch Wolken hindurch „schauen“. Und wo Überflutungen häufig durch extreme Regenfälle ausgelöst werden, sind Wolken erfahrungsgemäß immer ein wichtiger Faktor.

© GIO EMS – Mapping

Einsatzkräften bei einem Dammbruch helfen: Das Eisenerzbergwerk nahe dem Ort Brumadinho im Osten Brasiliens hat ein Rückhaltebecken für schlammige Rückstände aus der Erzauf­bereitung mit Staudamm. Dieser brach im Januar 2019. Millionen Tonnen Schlamm ergossen sich daraufhin über die Umgebung. Über 200 Menschen starben. Im Rahmen der „International Charter Space and Major Disasters“ wurden über das DLR Daten der optischen RapidEye-Satelliten zur Verfügung gestellt, mit denen die Brasilianische Katastrophenschutzbehörde (CENAD) Karten für das über­schwemmte Gebiet und die betroffenen Siedlungen erstellte, um die Rettungseinsätze vor Ort zu unterstützen.

© TV NBR/Wikimedia Commons

Erdbeben besser verstehen: Radarsatelliten können Hebungen, Senkungen und Verschiebungen der Erdoberfläche bis auf wenige Millimeter genau messen. Forschende analysieren die Bewegungsmuster, kombinieren sie mit weiteren geologischen Daten und verbessern so die Risiko-Abschätzung für bevorstehende Erdbeben. Das Bild zeigt die Verschiebungen der Erde bei einem Erdbeben in der Emilia Romagna 2012: Rot markiert sind Erdbewegungen um 20 Zentimeter und mehr (vor allem in der Nähe des Epizentrums), leichtere Nachbeben dagegen in Weiß.

© Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia (INGV). Satellite Data: Cosmo-SkyMed

Warnung vor Erdrutschen: Jedes sechste Todesopfer durch Naturkatastrophen in Europa stirbt durch Erdrutsche. Sie sind schlecht vorherzusagen, denn sie passieren plötzlich. Mit einer Mischung aus Radarsatellitendaten, optischen Bildern und geologischen Informationen können die Hänge von Bergregionen jedoch langfristig überwacht werden.

© getty images

Warnung vor Erdrutschen: Schon geringste Bewegungen von Hängen werden erkannt und gefährdete Stellen genauer definiert. Mit diesem Wissen können Schutzmaßnahmen besser geplant und die Ausweisung von Bauland in Hochrisiko-Bereichen verhindert werden. Im Bild: eine Karte des Erdrutsch-Gefahrenpotenzials des Arno-Beckens in Italien. Sie wurde erstellt unter Zuhilfenahme von unter anderem millimetergenauen Bewegungsdaten von Radarsatelliten, optischen Daten oder Daten zu Landnutzung und Geomorphologie. Orange = gefährdet, Gelb = nicht so stark gefährdet, Grün = sicher.

© UNIFI

Waldbrände schnell eindämmen: Über 50.000 Waldbrände und circa 500.000 Hektar ver­nichteter Wald jährlich – allein in der EU. Und das Risiko steigt, da der globale Klimawandel sommerliche Hitzewellen und Dürreperioden in Europa wahrscheinlicher macht. Waldbrände bleiben oft zunächst unbemerkt, da sie in abgelegenen Regionen beginnen. Aus dem All ist der Überblick besser: Satelliten mit Infrarot-Detektoren erkennen auch kleine Brandherde und das fast in Echtzeit, die Bekämp­fung beginnt früher. Nach dem Waldbrand können betroffene Gegenden präziser kartiert und die Wieder­aufforstung gezielter erfolgen. Das European Forest Fire Information System (EFFIS) und das „Global Wildfire Information System“ machen Feuer weltweit sichtbar – von der Glut im Stahlwerk bis zum beginnenden Urwaldfeuer. Daten zu Waldbrandregionen, aufbereitet aus zahlreichen Satellitenquellen, lassen sich länger als zehn Jahre zurückverfolgen auf „firemaps.net.“, einem von dem Münchener Unternehmen ZEBRIS bereitgestellten Web-Service.

© ESA

Vor dem Feuer kommt die Dürre: Wann kommt es zu Wald- oder Buschbränden? Vor allem, wenn Böden und Vegetation sehr trocken sind. Die (fehlende) Feuchtigkeit von Böden wird unter anderem mit Satellitendaten ermittelt. Zuständig dafür ist das „European Drought Observatory“. Diese Daten sind natürlich auch für die Landwirtschaft äußerst wichtig.

© European Drought Observatory (European Commission - Joint Research Centre), Copernicus Emergency Management Service, 2020

Katastrophenwarnung für die Hosentasche

Die Warn-App NINA des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schlägt Alarm, wenn in der eigenen Umgebung eine Katastrophe oder ein Unwetter droht – als paralleles Warnsystem zu Sirenen und Radio. NINA ist an MoWaS angeschlossen, das modulare Warnsystem. Die Warnmeldung wird von der auslösenden Leitstelle strom­ausfall- und katastrophensicher per Satellit übertragen (und zusätzlich per Kabel) und gelangt so in die Warnsysteme, wie beispielsweise NINA.

© BBK

Der europäische Copernicus Emergency Management Service (EMS)

Flutkatastrophen, Stürme, Wald- und Buschbrände, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Erdrutsche, Tsunamis oder von Menschen verursachte Katastrophen (Chemieunglück, Reaktorkatastrophe, Ölpest, Kriege und Flüchtlingselend) bedrohen vielerorts Mensch und Natur. Wer in einer gefährdeten Region lebt, verliert bei einer Katastrophe oft all sein Hab und Gut.

Der EMS stellt im Katastrophenfall seit April 2012 gebündelt Lageinformationen bereit. Sie sind die Basis dafür, dass Hilfskräfte noch schlimmere Folgen verhindern können. Je nach Ort und Situation werden aktuelle Schadenskartierungen schon wenige Stunden nach Anfrage an Hilfskräfte übermittelt oder sind für diese online abrufbar.

Bei diesen Notfällen wurden Dienste des EMS genutzt: EMS baut auf einer Reihe von Projekten auf, die von der Europäischen Kommission und der ESA initiiert wurden, und insbesondere auch auf den Daten europäischer Satelliten. Die Sentinel-Satelliten sind dabei besonders wichtig. Sentinel-1 unterstützt beispielsweise bei der Detektion und Bewertung von Überflutungen, Erdrutschen und seismischen Bewegungen. Sentinel-2 liefert Basiskarten und Daten zu Überflutungen sowie Erosion und macht unterschiedliche Landnutzungen sichtbar. Sentinel-3 kann Feuer erkennen und Sentinel-5P detektiert Luftverschmutzung.

© EMS/CCBYSA/OpenStreetMap contributors

Das Engagement des DLR im Katastrophenschutz: Mitgliedschaft in der „Internationalen Charter
Space and Major Disasters“

© DLR/Esri/GEBGO, NOAA, National Geographic, DeLOrme, Bing Imagery (Microsoft Corporation), Earthstar Geographics SIO and other contributors

Über 600 Aktivierungen in den 20 Jahren seit Bestehen: Das DLR, in seiner Funktion als deutsche Raumfahrtagentur, bringt seine Satelliten und Expertise in der Katastrophenhilfe weltweit durch seine Mitgliedschaft in der „International Charter Space and Major Disasters“ („Charter“) ein. Dieser Zusammenschluss zahlreicher Raumfahrtagenturen stellt Satellitenbilder und daraus abgeleitete Informationen schnellstmöglich und kostenlos zur Verfügung, wenn es irgendwo auf der Erde eine große Naturkatastrophe gegeben hat.

Katastrophenschutzbehörden auf der ganzen Welt können sich als Nutzende der Charter registrieren lassen und den Hilfsmechanismus danach im Katastrophenfall selbst aktivieren.

Im Rahmen seiner Charter-Mitgliedschaft stellt das DLR Daten der deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X für die Katastrophenhilfe zur Verfügung.

FireBIRD: die deutschen Feuermelder im All

© ZKI/DLR

Die deutschen Satelliten TET-1 und BIROS sind im Team „FireBIRD“. Die beiden „Feuervögel“ fliegen in 520 Kilometer Höhe und erkennen Waldbrände und kleinere Feuer mit Hilfe von Infrarot-Sensorik. Ziel ist nicht nur die Erkennung von Bränden, sondern vor allem auch die Dokumentation der Ausbreitung. So werden Brände besser erforschbar – und das kann dazu beitragen, dass manche Brände in Zukunft verhindert werden. Die Daten von FireBIRD werden auch vom ZKI genutzt.

Das DLR-Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation (ZKI)

© ZKI/DLR

Außerdem betreibt das DLR ein eigenes Zentrum für satellitengestützte Kriseninformation, das ZKI – unter anderem, um auf Anforderungen deutscher Behörden schnell reagieren zu können.

  • Beschaffung und Analyse von Satellitenbilddaten in Krisensituationen und zur Sicherheit von Großveranstaltungen
  • Basis- und Notfallkartierungen gemäß Nutzer- und Lageanforderungen
  • 24 Stunden/7 Tage Bereitschaft
  • Training und Schulung von Krisenreaktionskräften
  • Unterstützung von Zivilschutzübungen

© DLR

Großbrand auf einem Truppenübungsplatz, Mecklenburg-Vorpommern. Am 28. Juni wurde der Brand als „gelöscht“ gemeldet. Doch Glutnester entfachten neue Brände. Die Karte ist vom 1. Juli 2019: Einsatzkräfte sehen auf der Karte des ZKI, welche Orte vom Feuer bedroht sind, welche Straßen nutzbar sind, und vor allem die Brand- und Glutherde – denn Satelliten können durch die Wolken und durch Baumkronen „sehen.“ So können die Einsatzkräfte besser planen. Die Daten stammen von dem Satelliten Sentinel-2 und zeigen einmal den Landstrich in „Echtfarben“ und einmal als Falschfarbendarstellung, die mit Hilfe von Nahinfrarotkanälen erstellt wurde.

Beispiele von Charter-Aktivierungen

Japan, Tsunami 2011: eine Vorher-nachher-Kartierung der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA auf Basis von RapidEye-Aufnahmen.

© JAXA

Japan, Tsunami 2011: Kartierung überschwemmter Bereiche, angefertigt durch das ZKI auf Basis einer TerraSAR-X-Aufnahme.

© DLR

So sehen Karten aus, die im Rahmen
der Charter erarbeitet werden

© ZKI/DLR

© ZKI/DLR

© DLR

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© DLR

© DLR

© DLR

© DLR

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